Weiterer Zank ums neue Gesetz zu Lieferketten.
Von Prof. Dr. Otto Strecker.
Das Lieferkettengesetz soll verhindern, dass deutsche Unternehmen Produkte vermarkten, die unter prekären Bedingungen gegebenenfals von ihren Vorlieferaten hergestellt wurden. Das Ziel verdient zwar Respekt. Aber: Schon die Standards varieren von Land zu Land. Maßgeblich sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, aber auch die jeweiligen nationalen Gesetze. Eine gesetzliche "Sorgfaltspflicht" umfasst alle Aktivitäten entlang der Lieferkette. Kommt es dabei zu Verstößen, die bei sorgfältiger Prüfung vermeidbar gewesen wären, haftet das Unternehmen. UN- und OECD-Regelungen schließen dagegen eine Haftung nur aufgrund von Geschäftsbeziehungen ausdrücklich aus. Eine Verknüpfung widerspricht also den zugrunde liegenden Standards.
Was würden wir davon halten, wenn amerikanische Handelspartner in deutschen Unternehmen die Einhaltung des Mindestlohns überprüfen wollten? Richtig: Zuständig sind die nationalen Behörden! Auch in souveränen Staaten, in denen prekäre Produktionsbedingungen herrschen. Diese Aufgabe auf deutsche Unternehmen zu übertragen, zeugt nicht nur von einem bevormundend anmutenden Verständnis von Partnerschaft mit den Herkunftsländern. Was der Entwicklungspolitik beim Aufbau von Institutionen und Rechtssystemen in 60 Jahren nicht gelungen ist, sollen nun die deutschen Unternehmen richten? Dass man wegen der fehlenden internationalen Dimension des Regulierungsvorhabens deutsche Unternehmen im Wettbewerb besonders belastet, ist dabei ein weiterer, allerdings schwerwiegender Schönheitsfehler. Die wahrscheinlichste Reaktion dürfte der Rückzug aus den am schwierigsten zu kontrollierenden Regionen sein. Damit werden diese vom entwicklungsfortschritt vollends abgekoppelt.
In: Lebensmittel Praxis, Ausgabe 13/2020 vom 28.08.2020, S. 10