Von Prof. Dr. Otto Strecker.
Nach jahrelangen Diskussionen startet ein neuer Anlauf für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und Wurst. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) stellte vor Kurzem die Eckpunkte eines Systems vor, das Supermarktkunden mehr Transparenz über die Bedingungen in den Ställen bringen soll. Minister Özdemir selbst spricht von einer Haltungskennzeichnung. Aus dem Umfeld und den Verbänden ist oft von einem Label die Rede. Der Unterschied ist gravierend, ganz unabhängig von der notwendigen inhaltlichen Analyse der schon von mehreren Vorgängern angekündigten Initiative. Eine Kennzeichnung kann in Form einer Zahlen- oder Buchstabenkombination als Laseraufdruck am Packungsrand erfolgen. Ein Label ist dazu gedacht, möglichst auf der Vorderseite der Verpackung seine Wirkung zu entfalten. Dort konkurriert es mit der Marke um Aufmerksamkeit und Vertrauen. Jedes Label schwächt die klassische Lebensmittelmarke. Es bringt zum Ausdruck, dass die Marke anscheinend nicht für die transportierte Botschaft des Labels stehen kann. Damit wird die Vertrauensfunktion einer Marke grundsätzlich durch jedes Front-Page-Label konterkariert und geschwächt. Gehoben werden durch derartige Labels vor allem No-Name-Produkte als typische Discountware. Sie erfahren dadurch eine bessere Reputation und stärken ihre Position im Wettbewerb. Letztlich würde ein Label insofern eher das Preiseinstiegssegment und die „Discountisierung“ der Fleischprodukte befördern. Will der Landwirtschaftsminister diesen Effekt vermeiden, muss er sehr darauf achten, dass aus der Kennzeichnung kein Label wird.
In: LPeconomy, Heft 11/2022 vom 07.07.2022, S. 08, 1. Buch