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25.04.2014

Der Schlachtkonzern Vion ringt weiter um eine wirtschaftliche Zukunft. Im Gespräch mit dem DLZ-Agrarmagazin erläutert Dr. Otto Strecker, Vorstand der AFC Consulting Group, die Herausforderungen der Branche.

Der Verkauf der Ingredientssparte im vorigen Jahr war zweifellos ein Rettungsakt in höchster Not.

Dr. Otto Strecker, Vorstand des Beratungsunternehmens AFC Consulting Group, ist jedoch skeptisch:"Der Verkauf der Ingredientssparte saniert möglicher­ weise die Vion-Bilanz mit einem Einmaleffekt, verbessert aber nicht das laufende Geschäftsmodell - im Gegenteil." Ingredients und das Geschäft mit Nebenprodukten, also dem, was Fachleute auch das fünfte Viertel nennen, war einer der Konzernteile mit dem größten Wertschöpfungspotenzial, sagt Strecker. 

"Die großen Schlachthofunternehmen sitzen in Deutschland und Westeuropa insgesamt in einer Art Volumenfalle," so Strecker.

Welche Standorte wird Vion in Deutschland noch schließen? Dazu schweigt das Unternehmen. Knapp heißt es auf Anfragen, die Pläne zur mittelfristigen Restrukturierung würden "weiter ausgearbeitet". Es werde bei "Umsetzung der einzelnen Maßnahmen jeweils eine interne und externe Kommunikation geben." Jetzt rächt sich, dass Vion über Jahre zahlreiche fußkranke Konkurrenten übernahm. Bei dem hohen Expansionstempo wurde die eigentliche Kärrnerarbeit vernachlässigt, aus den kranken Einheiten einen gesunden Organismus zu formen. 

Dr. Otto Strecker meint dazu:"Die deutschen Schlachthofstandorte von Nordfleisch und Südfleisch waren teilweise schon problematisch, bevor sie von Vion übernommen wurden." Der Hang zum Größenwachstum ohne Wertschöpfungsstrategie ist aus Sicht des Beraters typisch für die Branche:"Die großen Schlachthofunternehmen sitzen in Deutschland und Westeuropa insgesamt in einer Art Volumenfalle. In einer Branche, in der man den Erfolg in Schlachtzahlen und Tonnen misst, steht traditionell die schiere Größe des Unternehmens im Vordergrund, nicht die Intelligenz des Geschäftsmodells. Das Geschäftsmodell ist auf hohe Stückzahlen und niedrige Kosten ausgelegt. Der immer stärker gewordene Discount setzt die Margen inzwischen europaweit unter Druck. Die Exportwege werden immer länger." 

Größe ist nicht alles. Der Schlachtkonzern Vion hat den Beweis angetreten. Bei einem Umsatz von 9,7 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2012 - neuere Zahlen veröffentlichte das Unternehmen bisher nicht - weist Vion vor allem aufgrund erheblicher Abschreibungen auf das Englandgeschäft einen Nettoverlust von 830 Mio. Euro aus. 

Das gigantische Loch in der Bilanz stopften die bäuerlichen Eigentümer mit ihrem Eigenkapital, das innerhalb eines Jahres von 738 Mio. Euro auf minus 97 Mio. Euro schmolz. Das heißt. die rund 16.500 Landwirte, die über den südniederländischen Bauernverband ZLTO und dessen Beteiligungsgesellschaft NCB alleinige Eigentümer von Vion sind, verloren durch die Turbulenzen bei Vion pro Kopf durchschnittlich mehr als 50.000 Euro angelegtes Vermögen. 

Wird Vion sich der Spirale entziehen können? Aufsichtsratschef Hans Huijbers glaubt, dass sich der Konzern ausreichend verschlankt hat, um in den nächsten zwei Jahren die Integration der verbliebenen Unternehmensbestandteile vorantreiben zu können. CEO Herkemij sei jedenfalls nicht angestellt worden, um Vion zu verkaufen, so der ZLTO-Vorsitzende gegen­ über niederländischen Fachmedien. 

Der Originalbeitrag erschien in DLZ-Agrarmagazin, Mai 2014, S. 138-141