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07.09.2011

AFC in der FAZ: Wenn Vater Staat mit Auftrag droht - Herausforderungen der Managementberatung für die öffentliche Hand

Managementberatung für die öffentliche Hand - Wenn Vater Staat mit Auftrag droht

Von Otto A. Strecker und Christoph Kliebisch

Angesichts einer Staatsquote von fast 50 Prozent ist der Anteil der öffentlichen Hand am deutschen Beratungsmarkt mit knapp 10 Prozent eher gering. Wenn Vater Staat den Beratern aber mit Auftrag droht, dann mit großer Geste. Ab einem Auftragswert von etwas über 200.000 Euro müssen Beratungsaufträge europaweit ausgeschrieben werden. Auch für kleinere Beträge gelten Formvorschriften für das Vergabeverfahren. Die gleichen Formerfordernisse wie für Bund, Länder, Kommunen und ihre unmittelbaren Einrichtungen gelten bei doppelt so hohen Schwellenwerten für sogenannte Sektorenunternehmen. Zu den letzteren gehören auch private Unternehmen aus den Bereichen Energie- und Wasserversorgung, Verkehr und Post, Häfen und Flughäfen und andere mehr, wenn ihnen von öffentlichen Stellen besondere wettbewerbseinschränkende Rechte eingeräumt wurden. Dadurch unterliegt letztlich ein erheblich größerer Teil als die oben genannten zehn Prozent den Regularien für öffentliche Aufträge.

Alleine durch das Vergabeverfahren und die entsprechende Vorbereitungszeit vergehen häufig sechs bis neun Monate von der Willensbildung, eine entsprechende Beratungsleistung in Anspruch zu nehmen, bis zum Vertragsabschluss mit dem Consultant. Nicht selten hat sich bis zur Vergabe die Ausgangssituation, die die Basis für die Leistungsbeschreibung bildete, bereits verändert. Es braucht nicht nur geduldige Berater, die Zeit und Geld in den damit verbundenen Akquisitionsprozess investieren. Auch die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung müssen nach der Vergabe ein Projekt unterstützen, das nun unter veränderten Vorzeichen durchzuführen ist. Damit wird der ohnehin oft nicht stark ausgeprägte Wille zur Veränderung einer zusätzlichen Belastung unterzogen.

Daher bietet es sich an, neben den Vertretern auf Auftraggeberseite auch die fachliche Ebene sowie die Personalvertretung einzubinden. Durch eine aktive Informationspolitik wie die Bildung von Projekt begleitenden Arbeitsgruppen kann die ablehnende Grundeinstellung von Betroffenen in eine konstruktiv kritische Grundhaltung der nun Beteiligten umgelenkt werden. Dieser Sinneswandel lässt sich sehr oft systematisch für die Erreichung der Projektziele nutzen und kommt somit letzten Endes allen zugute. Deutlich wird dadurch aber auch eines: Beratungsprojekte der öffentlichen Hand sind in der Regel um einiges abstimmungsintensiver als privatwirtschaftliche Mandate, wo die Entscheidungsfindung in stärkerem Maße Top Down erfolgt. Dies sollten Berater bereits in ihrer Kalkulation berücksichtigt haben. Was aber sind die Gründe, wegen derer Behörden immer wieder auf die Dienstleistung von Consultants zurückgreifen? Und wie sehen die Mandate aus, die von den Beratungsunternehmen im öffentlichen Sektor bearbeitet werden?

Ganz gleich, ob Bund, Land oder Kommunen: die öffentlichen Haushalte befinden sich unter einem zunehmenden Konsolidierungs- und Sparzwang. Besserung scheint nicht in Sicht. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, welche Fachaufgaben weiter wahrgenommen werden sollen und in welcher Intensität. Oft muss sich die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation der jeweiligen Verwaltungs- oder Fachbehörde einer Prüfung unterziehen. In diesem Zusammenhang sind dann häufig Fragen in Bezug auf die Ausrichtung der Organisation, die effizientere Durchführung von Verwaltungsabläufen und dem Umfang des Personalkörpers zu klären. Nicht selten gilt es im Rahmen von Make-or-Buy-Entscheidungen darüber zu befinden, ob die Aufgaben überhaupt noch unter dem Dach der Verwaltungsbehörde wahrgenommen oder ausgegliedert werden sollen. Dabei ist es nicht nur wichtig, über umfassende Kenntnisse des Change Management zu verfügen. Ein breites fachliches Hintergrundwissen über die zu untersuchenden Aufgaben ist gerade bei Untersuchungen im Rahmen der Aufgabenzweck- und -vollzugskritik erforderlich.

Restrukturierungsprozesse finden nicht selten unter einem hohem zeitlichen Druck statt. Den Verwaltungseinrichtungen fehlt das Personal und das methodische Wissen, mit dem die notwendigen Untersuchungen durchgeführt werden können. Die Unterstützung durch Beratungsunternehmen im Rahmen eines entsprechenden Projektes stellt daher oft die einzige Möglichkeit dar, zeitnah zu einem Ergebnis zu kommen. Zudem bringen die Berater ihre Erfahrung aus vergleichbaren Referenzprojekten mit. Nicht ganz unwichtig ist in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit, mit der Unternehmensberater ihr Mandat ausüben. Denn es kommt nicht selten vor, dass Verwaltungsmitarbeiter bei Restrukturierungsvorhaben selbst betroffen sind. Dass solche Projekte in Eigenregie nicht immer zu dem gewünschten Ziel führen, ist die zwangsläufige Konsequenz. Ein Thema wird künftig im Zuge der Verwaltungsmodernisierung mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Bereits jetzt ist in vielen Behörden der Personalkörper überaltert. Neueinstellungen unterbleiben und wenn, dann oft nur mit befristeten Arbeitsverhältnissen. Die verbleibenden und häufig anspruchsvoller werdenden Verwaltungsaufgaben werden von einem immer kleineren Personalstamm wahrgenommen, an den immer höhere Ansprüche im Hinblick auf die Qualifikation gestellt werden.

Wie motiviert man Mitarbeiter für den Umgang mit dem Mangel? Wie qualifiziert man Fachexperten auch für die Übernahme benachbarter Fachgebiete? Wie entwickelt man ältere Mitarbeiter unabhängig von weiteren Karriereperspektiven weiter? Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich Unternehmensberater statt mit Fragen der Kostensenkung und Restrukturierung verstärkt mit Fragen der Personalentwicklung im öffentlichen Sektor auseinandersetzen müssen.

Dr. Otto A. Strecker ist Vorstand der AFC Management Consulting AG.

Dr. Christoph Kliebisch leitet den Bereich „Public Services" bei der AFC Management Consulting AG

Originalmanuskript, das in leicht veränderter Form in der FAZ erschienen ist:

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. September 2011, S. B4