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06.09.2019

Lebensmittel Praxis: Mut zur Transparenz

Risikoprävention im Handel durch Transparenz entlang der Leiferkette: Wie das funktionieren kann, das zeigt der Gastbeitrag von Markus Hinskes, Irene Willms und Anselm Lorenz von der AFC Risk & Crisis Consult GmbH

Inverkehrbringer von Lebensmitteln werden von Krisen und Skandalen um Produkt, Marke oder Unternehmen oftmals überrascht. Einträge von Fremdkörpern in das Produkt, mit Keimen verunreinigte Rohware oder missachtete Tierwohlanforderungen entlang der Lieferkette beschäftigen immer wieder die Öffentlichkeit und gefährden die Reputation. Zuletzt zeigte sich dies unter anderem bei dem Produktrückruf einer Mehl-Charge aufgrund von Mutterkorn-Alkaloiden oder bei der verdeckt aufgenommenen Schlachtung kranker Kühe in Polen. Das beträchtliche Interesse der Öffentlichkeit an solchen Themen zeigt auch eine aktuelle Studie der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, efsa. Demnach interessiert sich jeder zweite Deutsche für mögliche Risiken bei Lebensmitteln. 

Der Handel ist in der Pflicht

Häufig ist die erste Anlaufstelle für diese Themen der Lebensmitteleinzelhandel. Erwartet wird, dass der Handel transparent Auskunft zu Themen wie Lebensmittelsicherheit, Herkunft und Nachhaltigkeit als auch zu aktuellen Issues oder Skandalen geben kann. Denn, wenn auch nicht immer rechtlich begründet, trägt der Handel aus Sicht der Öffentlichkeit in erster Linie die Verantwortung für alle vertriebenen Produkte und deren gesamte Lieferkette. Vor dem Hintergrund zunehmender globaler Handelsbeziehungen und der einhergehenden steigenden Komplexität der Wertschöpfungskette stellt sich die Erfüllung dieser Erwartung als große Herausforderung für viele Beteiligte dar. Leicht können daher die Unsicherheiten oder Schwächen einzelner im Umgang mit Transparenz und Informationsbereitstellung zur Gefährdung aller werden. Am Ende ist die gesamte Lieferkette eben nur so stark oder transparent wie ihr schwächstes Glied. Hierdurch stehen für den Einzelhandel und seine Eigenmarken immer wieder die eigene Reputation und das Vertrauen der Konsumenten auf dem Spiel. In der Praxis macht sich diese häufig unerfüllte Erwartung auch dadurch bemerkbar, dass bei Fragen zu Lebensmittelrisiken 61 % der Deutschen dem Lebensmitteleinzelhandel als Informationsquelle nicht vertrauen. Weniger Vertrauen haben die Deutschen bei entsprechenden Fragestellungen nur noch in die Lebensmittelindustrie sowie Promis, Blogger und Influencer.
Immerhin: Die Brisanz des Themas wurde bereits von vielen Entscheidern erkannt. Dies zeigen die Ergebnisse der gemeinsam von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. und der AFC Risk & Crisis Consult GmbH durchgeführten Studie zum Risiko- und Krisenmanagement. Demnach schätzen die Verantwortlichen der Lebensmittelwirtschaft Transparenz als DIE zentrale Forderung von NGOs, Verbraucherzentralen und Medien ein. 
 
Doch die Erkenntnis über die Brisanz des Themas ist nur die halbe Miete. Zu häufig noch wird die Gestaltung des Themas anderen überlassen oder – wie im Falle der Transparenz-Plattform Topf-Secret – diesem nur Kritik von den Verantwortlichen entgegengesetzt. Nun gilt es aber, dass Handel wie Hersteller den Erwartungen an Transparenz mit zielführenden Maßnahmen begegnen. 

Unabdingbar ist es dafür, dass sich die Verantwortlichen einen stets aktuellen Überblick über die eigenen kritischen Themen beschaffen. Objektive Erkenntnisse liefert hierzu ein Issue-Monitoring im Sinne eines risikoorientierten Frühwarnsystems. Betrachtet man dabei die Trends einzelner Issues über mehrere Jahre, lässt sich zudem erkennen, welche Themen in der Öffentlichkeit an Relevanz verlieren bzw. gewinnen.

Kettentransparenz schafft Vertrauen

Dreh- und Angelpunkt ist bei den Maßnahmen jedoch Kettentransparenz, also die Verfügbarkeit von Informationen entlang der Wertschöpfungskette. Um dies gewährleisten zu können, müssen alle Beteiligten die Lieferkette partnerschaftlich organisieren und reibungslos miteinander kooperieren. Aufgabe des Handels ist es hierbei, die aus seiner Sicht kritischen Themen und Anforderungen transparent an seine Lieferanten zu kommunizieren. In gleicher Weise müssen Private-Label-Hersteller, die ihrer Ansicht nach relevanten Issues transparent in Richtung Handel mitteilen. Zudem gilt es, im Rahmen des Lieferantenmanagements aktiv die Weitergabe der Anforderungen entlang der gesamten Lieferkette einzufordern, seine Lieferanten risikoorientiert zu bewerten und bei den Kriterien über die gesetzlichen Regelungen und Prüfpflichten hinauszugehen.

Ist all dies umgesetzt, kann man der Erwartung der Öffentlichkeit an Transparenz gelassen entgegensehen. Vielleicht heißt es dann zukünftig: 61 % der Deutschen vertrauen dem Lebensmitteleinzelhandel als Informationsquelle bei Lebensmittelrisiken.
 

In: Lebensmittel Praxis 14/2019 vom 06. September 2019, S. 36-37